anlässlich der Filmvorführung „Nacht vor Augen“ im Kommunalen Kino Freiburg am 29.6. um 19.30 Uhr:
Im März 2009 berichteten Irak Veteranen beim Winter Soldiers Hearing in Freiburg über ihre Erfahrungen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) nach ihrem Kriegseinsatz. Ein Kriegseinsatz in Afghanistan, wie im Irak, bedeutet für viele SoldatInnen ein andauerndes Trauma, das sich über Monate hinzieht – also kein isoliertes Ereignis. Symptome sind Flashbacks und Alpträume, dissoziative Zustände oder die Unfähigkeit Gefühle zu empfinden, Schlaflosigkeit, Aggression und übertriebene Reaktionen auf Schreckerlebnnisse.
Wenn die betroffenen SoldatInnen ihre Symptome mit Selbstverletzung, Wutanfällen oder Alkoholkonsum begegnen oder kompensieren, werden sie oft vom Militär für ihr schlechtes Benehmen bestraft, bzw. als persönlichkeitsgestört diagnostiziert. Falls eine PTBS diagnostiziert wird, werden Medikamente hochdosiert, um eine Rückkehr in den aktiven Dienst zu ermöglichen. Die SoldatInnen sollen sich und ihrem Umfeld zeigen, dass sie in der Lage sind, ihre Schwächen zu beherrschen. Ein junger Soldat, der, nachdem er mitansehen musste, wie ein Kamerad von einem Panzer zerquetscht wurde, akute Belastungsreaktionen aufwies, wollte unbedingt bleiben, erzählt Bundeswehrpsychologe Biesold: „Viele empfinden es als Strafe, nach Hause geschickt zu werden.“ Langfristig sei die Prognose, keine PTBS zu entwickeln, sogar besser, wenn die SoldatInnen vor Ort blieben, so Biesold. Das Trauma verschlimmert sich jedoch mit jedem Kriegseinsatz.
Unbehandelt führt das Trauma zu Panikattacken, Alkohol- und Drogenabusus, Depression, Selbstmord und Amoklauf. Das Problem ist in der militärischen Tradition tief verwurzelt: Noch im Ersten Weltkrieg hielten Nervenärzte Soldaten mit mentalen Beschwerden für Simulanten und bestraften sie etwa mit Elektroschocks. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war von der Diagnose „Granatfieber“ oder „Schützengrabenneurose“ die Rede, später dem „Vietnamsyndrom“. Noch heute sähen viele Soldaten es als ihre Aufgabe an, mit seelischen Verletzungen alleine fertig zu werden, sagt der Leipziger Medizinstudent Robin Hauffa. Es komme zu Verdrängung und Verleugnung. Eine US-Studie ergab, dass sich nur ein Viertel der Soldaten mit einsatzbedingten psychischen Problemen in Behandlung begab. (taz 12.10.07)
In den USA erhalten weniger als 40% der Betroffenen eine adäquate Behandlung durch das Militär. Für eine rehabilitative Behandlung müssen sie bis zu 90 Tage warten. Die daraus entstehenden Probleme müssen von den Betroffenen und ihren Angehörigen allein bewältigt werden. Wegen PTBS wurden in den Jahren von 1995 bis 2006 rund 640 Soldaten in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt. Das ist ungefähr ein Prozent der Soldatinnen und Soldaten, die im Ausland waren. Experten schätzen die Zahl behandlungsbedürftiger psychischer Störungen bei den Rückkehrerinnen und Rückkehrern auf 10 bis 20 Prozent. Diese Größenordnungen sind auch aus anderen Staaten mit Truppen in vergleichbaren Einsätzen bekannt, wie etwa in den Niederlanden oder Schweden. (14.03.2008 – Inge Höger: Hilfe und Vorbeugung bei PTBS-Erkrankungen)
Dennoch wird versucht, anerkannt Traumatisierte dienstfähig zu machen. Ein vom Friedensforum betreuter Flüchtling aus Afghanistan, minderjährig geflüchtet nach traumatischen Kriegserlebnissen (sein bester Freund starb durch Schüsse vor seinen Augen) und mittlerweile anerkannter Kriegsdienstverweigerer mit deutscher Staatsbürgerschaft, wurde von der Jugendagentur in Freiburg geraten, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten, was zwangsläufig einen Auslandseinsatz, unter Umständen in Afghanistan mit sich bringen würde.
Seit zehn Jahren wird versucht, das Thema Traumatisierung im Berich der Flüchtlings- und Aufenthaltspraxis zu einem akzeptierten Thema zu machen. Verwaltung und Gerichte sind immer dagegen eingestellt, hatten zunächst noch gar nichts davon gehört, reagieren mit unwirschen und herabwürdigenden Stellungnahmen darauf. Behandlungszentren in Deutschland können von dieser menschenrechtswidrigen Praxis ein Lied singen.
Freiwillig in den Krieg ziehenden SoldatInnen wird ein Trauma attestiert, dass sie nicht haben müssten, wenn sie nicht in den Kriege ziehen würden. Flüchtlinge hingegen können nicht entscheiden, ob sie den Krieg freiwillig verlassen wollen. Sie werden daran von NATO-Seiten aktiv gehindert.
Insgesamt leiden oder litten den Angaben zufolge 385 Soldaten nach einem Einsatz in Afghanistan an PTBS. Derzeit werden pro Jahr rund 10.000 deutsche Soldaten für je vier Monate in Nord-Afghanistan eingesetzt. (afp/aerzteblatt.de) Laut jüngsten Angaben des Bundesverteidigungs-ministeriums hat sich die Zahl der traumatisierten Heimkehrer in den letzten zwei Jahren vervierfacht. Inzwischen beläuft sich der Anteil der Afghanistan-Heimkehrer, die an PTBS leiden, auf „knapp über zwei Prozent“. (Bundestagsdebatte Hilfe für Traumatisierte Soldaten 2.12.08)
Solange SoldatInnen der Bundeswehr in Kriegsgebieten eingesetzt werden, werden sie traumatisiert zurückkehren. 70% der deutschen Bevölkerung lehnt eine weitere Beteiligung Deutschlands am Afghanistaneinsatz ab. Das Freiburger Friedensforum lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich ab und fordert die Auflösung der NATO.
Freiburger Friedensforum
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